Sie sind das wohl markanteste Mannheimer Stadttier und das berühmte Klappern ist Vielen schon seit Kindheitstagen vertraut. Gemeint sind die Weißstörche, die heute in einer Kolonie bestehend aus über 50 Brutpaaren in unmittelbarer Nähe zur Stadt leben. Auf den ersten Blick scheinen sie vom Stadtleben zu profitieren, schließlich sind die Winter hier zunehmend milder und der weite Flug in den Süden nicht unbedingt nötig. Doch leider ist dies nur die halbe Wahrheit.
Trockenere Sommer, weniger Insekten, mehr Müll: Gleich drei Faktoren, welche die Futtersuche für die Weißstörche erheblich erschwert. Für die Störche ist es schwerer Regenwürmer und Insekten zu finden. Stattdessen wird insbesondere Kleinstmüll wie Haushaltsgummis mit der eigentlichen Leibspeise verwechselt und gefressen. Wenngleich dies kein neuartiges Phänomen ist, dass Störche ganze Mengen von Gummiringen hervorwürgen (bereits vor über 20 Jahren konnte man dies beobachten), so trat es in den letzten Jahren und vor allem im vergangenen Jahr 2022 vermehrt auf. Aus den Storchenstandorten der ganzen Bundesrepublik gab es im letzten Jahr Meldungen von Jungstörchen, die mit vollem Bauch verhungert sind. Nachforschungen zeigen meist das gleiche Bild. Die verendeten Störche enthielten im Verdauungstrakt große Ballen von miteinander verklumpten Gummiteilen.
BR (21.09.2022): Gummiringe statt Würmer: Warum Störche Plastikmüll fressen: https://www.br.de/nachrichten/bayern/gummiringe-statt-wuermer-warum-stoerche-plastikmuell-fressen,THyDxPDn (letzte Nutzung: 12.03.2023)
SWR (17.8.2022): Südpfalz: Plastikabfälle für Störche lebensgefährlich. Online unter: https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/ludwigshafen/gefahr-fuer-stoerche-durch-plastik-100.html (letzte Nutzung: 12.03.2023)
Warum ist (Plastik-)Müll ein Problem für die Störche?
Weißstörche sind bei ihrer Suche nach Futter nicht wählerisch. Sie schreiten über Wiesen, Felder oder durch Flussauen auf der Suche nach Fressbarem. Doch was die Störche auf ihrer Suche für zappelnde Würmer, Schnecken, Insekten, Reptilien oder Kleinsäuger halten, sind oft in der Landschaft verloren gegangen oder entsorgt Müllteile.
Ausgewachsene Störche sind in der Lage, unverdauliche Teile ihrer natürlichen Nahrung, wie beispielsweise Tierknochen, Fellreste oder Flügeldecken von Käfern als Gewölle wieder auszuwürgen. Gewölle, auch Speiballen genannt, sind oft unter den Storchennestern zu finden. Auch die aufgenommenen Gummiteile können im Gewölle auf diese Weise aus dem Magen herausbefördert werden.
Storcheneltern würgen die mitgebrachte Nahrung, oder was sie für solche gehalten haben, ins Nest und ihre Küken nehmen diese unselektiert wieder auf. Jungstörche selbst speien keine Gewölle aus, wodurch die unverdaulichen Gummiteile nicht ausgeschieden werden und im Verdauungstrakt verbleiben. Sie machen satt und ballen sich dort zu einem bis tennisballgroßen Gummiklumpen zusammen, bis irgendwann bei den Jungtieren nichts mehr rein und raus gelangt. Die Folge ist sicher – die Jungstörche verenden jämmerlich in ihren Nestern mit einem Magen voller Müll.
Besonders beschwerlich ist es für die Storcheneltern in einer niederschlagsarmen Brutsaison ausreichend tierische Nahrung (wie Regenwürmer, Insekten, Amphibien, Reptilien, Kleinsäuger, Fische) für die Jungtiere zu finden. So nehmen sie vermehrt die verfügbaren elastischen Kunststoffe auf, bis ein Sättigungsgefühl erreicht ist.
Situation in Mannheim
Auch die Störche in Mannheim kommen um dieses Leid nicht herum. Hier werden Gummis von Gemüsebunden wie Radieschen oder Lauchzwiebeln, Dichtungsringe, weiche Silikonteile und weitere Gegenstände von den Tieren gefressen. Zahlreiche Gewölle wurden von den Mitarbeitenden des Luisenparks unter den Nestern gefunden und selektiert. Besonders tragisch ist jedoch die Situation für den Nachwuchs.
Im Sommer 2022 wurde ein toter Jungstorch des Luisenparks untersucht und die verschiedenen Fremdstoffe dokumentiert (siehe Bilder). Dazu gehören neben den oben genannten Gegenständen auch zahlreiche spezifisch geformte Silikonteile. Zudem fanden sich unter dem Nest des toten Storches Teile eines Faltenbalges von Waschmaschinen, Gummiteile aus Dichtungen von Autotüren, Scheibenwischgummis, Benzinschläuche, Blitzbinder, Luftballonreste, Haargummis, ausgekratzte Silikonstränge, die als Abdichtmasse verwendet wurden oder lange wurmförmige Stränge aus der Silikonspritze. Besonders auffällig war dabei die Häufigkeit heller Silikonteile, die eine ganz besondere typische Form aufweisen, aber bislang noch nicht einer möglichen Herkunft oder Verwendung zuzuordnen waren.
Auch in 2023 zeichnet sich ab, dass die Störche weiterhin Gegenstände aus elastischen Kunststoffen in ihren Futtergründen finden. Bereits vor der geschäftigen Brutsaison sind zahlreiche Gummi- und Silikongegenstände unter den Nestern zu finden. Vor allem blaue Dichtungsringe fallen in diesem Jahr bisher auf.
Eine weitere Problematik äußert sich beim Nestbau der Störche: Wurden ursprünglich neben Zweigen und Ästen, Stroh, Laub oder Grassoden verwendet, finden die Tiere Plastikmüll als geeignetes Material. So wandern zahlreiche Fremdstoffe wie entsorgte Plastiktüten, volle Babywindeln, Plastikschnüre, Bindegarne, Fetzen von Ernte- oder Unkrautvliesen, Gummihandschuhe, Schirmmützen, medizinische Mund-Nasenmasken, Plastikspielzeug, Plastikblumentöpfe und vieles mehr aus der Landschaft in die Storchenhorste. Alles in allem eine gefährliche und auch wasserundurchlässige Sache für die jungen Nestbewohner. In den Schnüren können sich die Jungen verheddern und die Folien verwandeln die Horste bei Starkregen in „Pools“, in denen die Jungtiere ertrinken oder stark auskühlen.
Was wollen wir erreichen?
Um Wildtiere zu schützen und unterstützen, hilft nur eines: Was nicht in die Natur gehört, soll auch nicht dort abgeladen und entsorgt werden. Jedes noch so winzige Stückchen Plastik/Gummi, hat das Potenzial, Tiere zu beeinträchtigen. Bedauerlicherweise verrotten diese künstlichen Stoffe nicht, sondern bleiben uns Jahrzehnte in den Böden erhalten und werden somit kontinuierlich mehr. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tier daran Schaden nimmt, steigt somit Jahr für Jahr an.
Was kann ich dagegen tun/wie kann ich helfen?
Im Kern geht es um drei Punkte:
- Kein Müll in der Natur entsorgen!
Auch Kleinstteile wie Zigarettenstummel und Bonbon-Verpackungen gehören nicht in die Natur. Gerade diese Dinge werden von zahlreichen Tierarten mit Futter verwechselt.
- Bitte aufheben!
Vor allem in der Natur, wie der Neckarwiese, den Rheinterrassen, am Strandbad oder am Vogelstangsee ist es besonders wichtig mitanzupacken. Besonders Gummis, Schnüre und weiteres „wurmartig“-aussehendes Material bitte aufheben und in den nächsten Mülleimer werfen.
- Wer kennt dieses Teil?
Unter den Storchennestern sind die hellgefärbten abgebildeten Silikonteile besonders häufig vorzufinden. Da die Vögel in einem Umkreis von 25-30 Kilometer ihr Futter suchen, suchen wir nach der potentiellen Quelle dieses Teils. Gegebenenfalls fällt dieses bei einem bestimmten Prozess an, wird es offen gelagert oder wofür wird es verwendet? Wir wollen hier zur Problemlösung beitragen und bitten um eure Mithilfe. Hinweise bitte an info@surfriderbadenpfalz.de
Es geht nicht nur um die Störche!
Die beschrieben Problematik, die Kunststoffteile jeglicher Art in der Natur mit sich bringen, äußert sich in vielfältiger Weise. Nicht nur Weißstörche nehmen Gummi- und Plastikteile auf oder verbauen Plastikmaterialien in ihren Nestern. Man findet immer wieder Vögel, die sich in Schnüren oder Fäden aus Plastik verheddern, sich dann irgendwo verfangen und nicht mehr befreien können. Plastiktüten schlingen sich mit den Schlaufen um den Hals und lassen den Vogel nicht mehr los. Die Plastikmüllproblematik gefährdet somit zahlreiche Arten, auch bei uns, direkt vor unseren Augen.
Bildquelle: Stadtpark Mannheim
Aktion in Mannheim am 18.03.2023
Blogbeitrag vom 18.03.2023: https://surfriderbadenpfalz.de/rettet-die-stoerche-beitrag
Videobeitrag vom 18.03.2023 RNF: https://www.rnf.de/mediathek/video/mannheim-rettet-die-stoerche-surfrider-machen-sich-fuer-voegel-stark/
Zeitungsartikel vom 18.03.2023 Mannheimer Morgen: https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-bauch-voller-plastik-so-schadet-weggeworfener-muell-mannheimer-stoerchen-_arid,2062843.html
Beitrag SWR vom 01.04.2023: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/mannheim/stoerche-in-mannheim-fressen-plastik-und-silikonmuell-100.html
Artikel Die Rheinpfalz vom 21.03.2023: https://www.rheinpfalz.de/lokal/ludwigshafen_artikel,-störche-in-gefahr-plastik-kann-den-tod-bringen-_arid,5483250.html